Wir sind mehr als nur Biomasse. Aber was sind wir darüber hinaus?

Aufklärung als Herausforderung und Chance

Einerseits erfahren wir über den Weg der Selbstreflexion etwas über das Wesen des Menschen. Andererseits zeigen historische Konstellationen oft besonders deutlich, was der Mensch ist. Sie halten uns buchstäblich den Spiegel vor.

 

Das 18. Jahrhundert mit der Epoche der Aufklärung schenkte uns eine solche Konstellation, die uns im Rahmen einer Innenschau das Wesen des Menschseins vorführte: Den Sinn des Lebens selbst produzieren, Antworten durch eigenständiges Denken selbst finden, persönliche Entscheidungen selbst verantworten. Hohe Anforderungen waren das plötzlich und sind es immer noch.

Wenn die Situation unübersichtlich wird und große Veränderungen stattfinden, suchen wir nach bewährten Rezepten und Handlungsmustern , um die Situation strukturiert und geordnet zu bewältigen. Deshalb wurde für die sogenannten „Seelenvermögen“ eine Hierarchie geschaffen. Das Empfinden und die Wahrnehmung galten als „niedere Vermögen“. Der Grund? Sie sind von äußeren Reizen abhängig und lassen sich nicht gut kontrollieren. Der rationalen Erkenntnis wurde der Vorzug gewährt.

Descartes formulierte den Zwei-Phasen-Dualismus, wonach die physische Natur des Menschen von seiner moralisch-intellektuellen kategorial verschieden sei.  Antworten suchte man häufig auch in der Metaphysik.

In einer zweiten Phase der Aufklärung entdeckte die nachcartesianische Philosophie die Anthropologie. Das Irrationale war jetzt wertvoll und wurde aus wissenschaftlich-philosophischer Sicht Teil der individuellen Vielfalt des Menschen. Alles drehte sich um das Verhältnis von Erkennen und Empfinden, um die Relation von Vernunft und Gefühl. Die Anthropologie sicherte den Leidenschaften, den Träumen und Erinnerungen sowie den ästhetischen Erfahrungen des Menschen eine Daseinsberechtigung zu. Damit näherte sie sich dem Wirkungsfeld der Literatur, vor allem der autobiographischen, an und beeinflusst sie seitdem wesentlich.

Literarische Anthropologie

Seit dem 18. Jahrhundert ist die Literatur auf die Möglichkeiten der Darstellung konkret erfahrener Subjektivität aus. In der literarischen Anthropologie zeigte sich damit das Wesen der Aufklärung.

Während Kants Anthropologie eher literaturfern oder sogar –feindlich war, ging es in Platners „Anthropologie für Ärzte und Weltweise“ um das Verborgene, das Unscheinbare in der menschlichen Seele. Es fand eine Annäherung der Anthropologie an die empirische Psychologie statt. Sie zeigt, ihrer Intention nach, große Parallelen zur Ästhetik, der Lehre vom Schönen.

Einer ihrer wichtigsten Vertreter war Gottlieb Alexander Baumgarten. In seiner „Ästhetica“ schrieb er dem Schönen eigene Gesetzmäßigkeiten und Werte zu.

In der Kunst erkannte er die höchste Ausformung konkreter Subjektivität.

Die Anthropologie liefert der Ästhetik Impulse. Sie regt künstlerische Produktion an und fördert deren Selbstbewusstsein.

Johann Gottfried Herder sah das Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele in seinem gleichnamigen Traktat als Einheit. Ohne Empfindung keine wahre Erkenntnis. Und darüber hinaus sei in der Empfindung bereits alles vorhanden, was die rationale Erkenntnis leisten kann.

„Erst die Empfindungen stimmen das Saitenspiel unserer Gedanken an und machen uns zu den Menschen, die wir sind. In ihnen ist der Kosmos unseres menschlichen Seins präsent.“

Die Intuition lässt uns verstehen, lange bevor jede Erklärung ihre Wirkung entfalten kann.

Herder ging es in seiner Anthropologie um …

  • ·         die Lehre vom Einzelmenschlichen,
  • ·         die Würdigung des ganz und gar Eigenem oder gar Absonderlichen,
  • ·         das gegenüber dem Leben der Gattung Verschwindenden,
  • ·         um das rational gesehen Instabile,
  • ·         das durch Leidenschaften Verdunkelte,
  • ·         das durch Zwänge Verengte,
  • ·         unsere lebenslangen Versuche des sinngebenden Umgangs damit.

Anthropologie in der Praxis

Was beobachten wir an uns selbst und an anderen?

Wie intensiv ist unsere sinnliche Wahrnehmung?

Was macht unsere Fantasie aus?

Welche Bedeutung hat unser Gedächtnis?

Wo lassen wir uns durch die Vernunft leiten?

Was bedeutet es, ein Genie zu sein?

Autorin: Katja Tropoja

Kommentar schreiben

Kommentare: 0