Wieviel Vergangenheit verträgt die Zukunft?
„Say goodbye to the past“, denn die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, lediglich aus ihr lernen. Ein Impuls reicht von der Gegenwart bis in die Zukunft, nicht jedoch in die Vergangenheit. Dort hat er keine Wirkung mehr. Oder doch?
Es ist durchaus möglich, sich intensiv in Geschichten und Erzählungen von Vergangenem einzufühlen, so als ob man live dabei wäre. Ebenso lassen unsere Erinnerungen, die eine gedankliche Verbindung zur Vergangenheit herstellen, die unterschiedlichsten Gefühle entstehen. Diese Emotionen sind dann überhaupt nicht mehr „Schnee von gestern“. Das merken wir besonders stark, wenn wir uns von ihnen überwältigt fühlen. Dann ist das Vergangene gegenwärtig.
Wieviel Zukunft verträgt die Gegenwart ?
„Alles, was wir haben, ist die Gegenwart.“ Der Moment ist wichtig. Ihm sollten wir Aufmerksamkeit schenken. Auch das stimmt. Nur in der Gegenwart haben wir das Gefühl, etwas zu bewegen. Wo ich der Spontaneität, der Impulsivität und dem aktiven Antrieb zu ständigem Handeln folge, wo ich unentwegt Handlungen ablaufen lasse, dort entsteht das Gefühl ungefilterter Lebendigkeit. Doch hat vitales Erleben tatsächlich nur etwas mit Gegenwärtigkeit und Unmittelbarkeit zu tun? Oder ist Vitalität auch jenseits des Jetzt zu finden?
Wieviel Fantasie braucht die Zukunft?
„Die Zukunft hat Zugkraft!”. Vitalität ist auch dort, wo noch gar keine Materie ist, wo noch nichts Substanzielles passiert, wo sich Greifbarkeit und Unmittelbarkeit noch in weiter Ferne befinden.
Auch beim Erzählen zukünftiger Geschichten wirken Empathie und Vorstellungskraft.
Wir alle sind die Helden unserer jeweils eigenen Fiktion. Somit ist die Zukunft ebenso lebendig wie Vergangenheit und Gegenwart. Die Zukunftsfiktion schafft ein nahezu unbegrenztes Feld von Möglichkeiten.
Aber brauchen wir Willenskraft, um die Zukunft zu gestalten?
Oder reicht dafür bereits unsere Fähigkeit zur Imagination?
Jules Vernes war davon überzeugt, dass alles, was sich der Mensch vorstellen kann, durch den Menschen auch realisierbar sei.
Fest steht, dass der Optimismus die Zukunft braucht. Sonst ist er zwecklos. Auch ein Versprechen, das wir geben, weist stets in die Zukunft. Sonst wäre es sinnlos.
Utopien in der Literatur
Der Glaube an den Fortschritt einerseits, die Angst vor dessen Komplexität, dessen Entwicklungsgeschwindigkeit und naturferner Künstlichkeit andererseits, fand ihr Ventil seit dem 19. Jahrhundert im Genre der Science Fiction. Sie half und hilft uns, mit der Unbekanntheit unserer Zukunft umzugehen. Dem zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheinbar Unmöglichen konnte und kann sie in einem Wunschbild den Schein des Möglichen geben.
Die Reise in ferne Welten dient dabei der Spiegelung des Eigenen im Fremden. Diese Projektionen lassen Rückschlüsse über das Selbstbild und Selbstverständnis zu und spiegeln die Lebenskonzepte des Einzelnen sowie der Gesellschaft ebenso wieder wie individuelle Unternehmensstrukturen. Eine Besonderheit stellt dabei die Wissenschaftliche Fantastik dar, die mögliche und vernünftige Denkmodelle entwickelt und Vorstellungen aus einer gemeinsamen Vorstellungswelt heraus nimmt. Sie manipuliert und schafft ihre eigene Realität, von der aus sie als Kontrollinstanz auf die gegebenen Verhältnisse wirkt. Zweifellos hat Iwan Jefremow Recht, wenn er sagt, in diesem Genre liege etwas Magisches.
Was ist aber mit dem scheinbar Unmöglichen, dem Unvernünftigen? Gibt es überhaupt die eine Welt? Gibt es nicht unzählig viele Wirklichkeiten? Wer legt fest, was für alle wünschenswert ist? Warum kommt kaum ein Science Fiction Roman ohne futuristische Schlachten im Weltall aus?
Magie und Wissenschaft
Egal, wie die Antworten ausfallen: Ein Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Magie ist unübersehbar. „Beide stellen Techniken ungewöhnlicher Einflussnahme und außerordentlicher Gestaltungen zur Verfügung. Beide aktivieren unsere Fähigkeit, zu staunen“,
sagte schon Herbert George Wells. Es ist an der Zeit für eine positiv aufgeladene Fantastik sowie für die Wiederbelebung und -entdeckung der nicht-rationalen Hintergründe wissenschaftlichen Denkens, ohne sich dabei zu stark dem Eskapismus hin zu geben.
Autorin: Katja Tropoja
Kommentar schreiben